Oma Hildes Gene

Untitled design(2)Oma Hilde im Badanzug anno 1933, als es GNTM noch nicht gab

Ihr Lieben,

vielleicht lest ihr schon ganz lange hier mit – oder erst seit Kurzem. Egal seit wann ihr mich schon begleitet: Ich muss euch jetzt mal was sagen.

Letztes Jahr im Oktober hatte ich ja ein Blogsabbatical eingeläutet, weil mir alles zuviel wurde. Da war so ein Dauergrundrauschen, was die normale Lautstärke einfach komplett überschritten hatte. Deshalb habe ich fünf Monate lang das Licht ausgemacht.

Und als ich es Ende März wieder angemacht habe, habe ich euch Folgendes geschrieben, am Ende meines “Ich bin zurück” Blogposts:

“Eine Sache möchte ich euch noch wissen lassen, denn sie ist mir wichtig.

Ich werde nicht mehr jede Mail beantworten (aber ich werde sie immer noch alle lesen). Bei zuletzt oft mehr als 100 Mails am Tag ist das einfach nicht mehr drin.

Mein Fokus liegt darauf, möglichst viele Leserinnen zu motivieren, zu inspirieren, sie in ihrem Alltag abzuholen und ihnen einen Nutzen zu bieten. Und wenn es nur die kleine Pause vom Alltag ist oder ein Satz, der ihnen ein Lächeln ins Gesicht zaubert.

Diesem Fokus werde ich genauso wie mir selbst nur dann gerecht, wenn ich meine Zeit dort verbringe, wo mich ALLE lesen können: auf meinem Blog. In diesem Sinn: auf ein Neues.”

In letzter Zeit habe ich so wunderschöne Mails von euch bekommen. Es gibt wirklich Leser, die sind von Anfang an dabei und haben sich mit mir und manchmal sogar wegen mir entwickelt. Manche haben – sobald sie mich einmal gefunden hatten – den kompletten Blog rückwärts gelesen. Ich meine: JEDEN einzelnen Post! Stellt euch das mal vor.

Ihr schreibt mir Sätze wie “Durch Dich bin ich eine bessere Mutter geworden.” Oder “Weil Du den Post xy geschrieben hast, habe ich meinen Freund verlassen – der mich nie wirklich akzeptiert hat. Jetzt habe ich die Liebe meines Lebens gefunden und 20 Kilo abgenommen.”

Ihr erzählt mir, dass ihr sicher schon 15 Rezepte von mir nachgekocht habt, was ihr alles gebastelt habt und welche Kindergeburtstage ihr gefeiert habt. Ich stehe dann oft einfach sprachlos da und bin ganz demütig, wenn ich darüber nachdenke, dass all das passiert, weil ich ein paar Fotos mache und ein paar Sätze aufs “Papier” bringe.

Denn auch wenn ich für euch eine Bloggerin bin und viele Dinge leicht wirken – ich bin vor allem eins: Ein Mensch.

Ich laufe morgens auf Wollsocken in den Keller, um die Hintergründe für das Fotoshooting raufzuschleppen. Und bevor die Kinder aus der Schule kommen, muss ich sie wieder runtertragen.

Eben, als ich mit den Buchposts für die Verlosung nicht mehr weiterkam, bin ich aus der Bibliothek in mein Home Office gewechselt. Nur um dort festzustellen, dass aus irgendeinem gottverdammten (sorry, aber ich habe mich SO aufgeregt) Grund die Zeilenabstände im Postentwurf zwar richtig angezeigt werden, im veröffentlichten Post aber nicht.

Egal, weiter. Macht ja nichts, dass ich gestern bis 12 auf der Wiesn war, heute morgen um 5 den Wecker nochmal eine halbe Stunde vorstellen musste und mich alles aber auch alles Richtung Bett zieht. Dabei ist es erst 11:30 und um 12:30 muss ich zum Supermarkt und dann die Küche aufräumen und direkt mit dem Mittagessen beginnen.

Für Mittwoch muss ich noch einen Vortrag vorbereiten, nächste Woche bin ich 2 Tage auf der Buchmesse und danach die Woche für 3 Tage in Berlin. Meine Kinder haben beide diesen Monat Geburtstag und warte mal: Ich muss ja auch noch 15 Verlosungsposts schreiben.

ÄHEM.

Die gute Nachricht ist: Ich bin seit meinem Sabbatical näher bei mir. Nie wieder werdet ihr solche Sätze von  mir lesen:

“Aber ich weiß, dass ich nicht mehr in dem Hamsterrad Blog gefangen sein will. Die Kontinuität, Disziplin und permanente Aufmerksamkeit, die dieser Blog von mir fordert, passt nicht mehr zu dem, was ich fühle. Ihr seht mit meinen Posts nur die Spitze des Eisberges. Die Anfragen, Kommentare, Mails, das Bedienen der Social Media Kanäle, Contenpläne, Contentproduktion, technische Verbesserungen (die Liste ist endlos) – die seht ihr nicht.”

Nie wieder will ich mich so fühlen. Die Wahrheit ist: Ich liebe es, wenn ich Dinge gut hinkriege und Menschen glücklich machen und unterhalten kann. Wenn Sie sich mir aber aufgrund dessen sehr nah fühlen, mich treffen möchten, etwas von mir erwarten, private Ratschläge von mir erhoffen, dann sind das Dinge, die ich leider oft nicht erfüllen kann.

Leider, weil ich mich eben dafür entschieden habe VIELE Menschen glücklich zu machen. Und manchmal zahle ich dafür den Preis, ganz spannende Menschen nicht näher kennenzulernen. Auch wenn ich mir sicher bin, dass wir viel Spaß zusammen haben würden.

Was hat das alles jetzt mit Oma Hilde im Badeanzug zu tun, die das Foto zum Post ziert? Ganz einfach. Oma Hilde hatte immer ihren eigenen Kopf, liebte es zu reisen und sich Freiheiten rauszunehmen. Trotzdem hat sie ihre innere Stärke in Ritualen gesucht. Im Patiencen legen, Stricken und Häkeln. Sie wusste sich an diesen kleinen Momenten innerer Ruhe täglich zu erfreuen. Daraus hat sie die Kraft geschöpft, vielen Menschen in ihrem Umfeld den Rücken zu stärken. Auch mir.

Ich freue mich immer wieder über euer Vertrauen und ich werde weiter jede Mail lesen. Aber beantworten kann ich sie eben nicht, denn ich habe Oma Hildes Gene. Ich brauche Freiheiten und ich brauche Zeit für mich. Das musste ich jetzt einfach mal wieder loswerden, denn es lag mir am Herzen.

In diesem Sinne

Eure Svenja

15 Kommentare

  1. Toller Post! Ich glaube Du sprichst damit ganz, ganz vielen aus der Seele, wenn auch nicht alle das vom Bloggen/ Mails beantworten kennen. Diese Erwartungshaltung, die leider viel zu viele stellen, dass man immer und am besten sofort Beantwortungen haben möchte, kann zum echten Stressfaktor werden. Ich sehe das sogar bei vielen Freunden im Privatkontext- da bekommt man eine Whatsappnachricht (danke an Whatsapp für die “großartigen” blauen Häkchen) und 5min später erhält man nochmal ein Fragezeichen hinterher, weil man noch nicht geantwortet hat. Sorry Leute, echt das geht gar nicht!
    Sich immer wieder selber Freiheiten schaffen, ist meiner Meinung nach der wichtigste Faktor für ein frisches Leben außerhalb der Zwänge-Tretmühle. Und alle, die das nicht verstehen (wollen/können) sind vielleicht auch nur Lebensabschnitts-Freunde…

  2. Die Wassermannfrau lässt sich eben ungern die eigene Freiheit beschneiden. Denn damit verlieren wir irgendwann die Luft zum Atmen… Und atmen müssen wir um stark zu sein! Ich bin da sehr bei Dir!

  3. Liebe Svenja,

    ich bin auch der Meinung, dass wahre Freunde sich gegenseitig Zeit und Freiheit nehmen sollten. Schön hast Du es zusammengefasst! Genieße die kleinen Auszeiten für Dich, damit viel Kraft und Energie für andere Sachen übrig bleibt!
    Ganz viele Grüße, Dominika

  4. Du sprichst mir wieder mal aus der Seele, Svenja! Und Julia, du auch! Ich blogge zwar nicht, aber Whatsapp mit seinen blauen Häkchen macht einem das Leben schon schwer genug. Ich hatte vor ein paar Wochen auch eine Diskussion mit einer Freundin, die sauer ist, wenn ich ihr abends um 20/21 Uhr nicht mehr antworte und mir dafür Zeit für mich und meinem Mann nehme! Einfach unglaublich, denn wenn es wichtig ist, kann man ja anrufen, oder?? Dabei tut es so gut, nicht ständig präsent zu sein und sich mal auf eine Sache zu konzentrieren, statt zwei bis zwanzig Dinge im Kopf zu haben! Ich konnte das dieses Jahr direkt am eigenen Leib erfahren. Aber, ich bin auf einem gutem Weg! Von daher bleibe ich dabei, egal ob da jemand sauer ist oder nicht! Ich wünsche dir noch einen schönen ruhigen Abend! LG Nicole

    1. Nicole, das freut mich SEHR dass Du da auch Prinzipien gefunden hast, mit denen Du wieder gut durchs Leben kommst. Ich fand ja schon diese plötzliche Fremdbestimmmtheit als ich die Kinder bekam eine zeitlang als so einengend, dass ich kaum noch Luft bekam. Ich weiß, es gibt ganz viele, denen es anders geht. Aber ich hatte wirklich zu kämpfen. Und dieses heute geltende “Du musst doch weil Du hast ja die Nachricht gesehen” und die Erwartungshaltung mancher Mitmenschen – da will und kann ich nicht Folge leisten. Sonst – und da bin ich mir sicher – hätte ich ziemlich schnell einen Burnout.

  5. … Deshalb sitze ich gerade hier, lese deinen Post und stricke Socken. Oma Hilde hatte recht, lass dich nicht “weginhalieren” und bleibe dir treu. Ich mag jeden Buchstaben von dir und glaube manchmal, das du hier Mäuschen spielst. In diesem Sinne, Dankeschön für deine Zeit!

  6. Wie schön, dass Du ein Beispiel dafür gibst, wie wichtig es ist bei sich und seinen eigenen Werten zu bleiben. Und dass man als Mensch gut und richtig ist, auch wenn man mal grade nicht kann oder will, oder ärgerlich ist, weil es nicht so läuft (obwohl grade Du doch schon so viel kannst und weißt).
    Ich drück Dich und freu mich immer von Dir zu lesen.

  7. Danke, Svenja!
    Das war mir aus dem Herzen geschrieben.
    Diese Erwartungshaltung hat mich krank gemacht und ich finde erst so langsam wieder zu mir. Das hat mir erst so richtig bewußt gemacht, wie wichtig ich mir selbst bin.
    Drück Dich!
    Ganz ganz liebe Grüße

  8. Ich bin ja noch recht neu hier und werde sicherlich auch viele deiner “alten” Beiträge noch lesen. Ich finde diese Einstellung toll und richtig.
    Ich bin gespannt was ich bei dir noch für schöne Anregungen bekommen werde.

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