The art of doing nothing

Ihr Lieben,

hier passieren gerade ungewöhnliche Dinge.

Auf der Suche nach dem, was ich jetzt schreiben möchte, mache ich tabula rasa. Ich habe – besonders digital – ausgemistet. Diese Woche waren meine Fotos dran und das ging so.

Alle Fotos von Tellern mit Essen: WEG. Alle Fotos von Dingen, die ich vielleicht nochmal für den Blog brauche: WEG. Ich meine, so ist das halt mit der Weiterentwicklung. Da geht nur was vorwärts, wenn man einen klaren Cut macht.

Was übrig blieb, waren Fotos von uns und den Kindern und vor allem: von unseren gemeinsamen Erlebnissen. Von Kinderfesten, Kindergartenfesten und Geburtstagsfeiern.

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Von ganz normalen Tagen, an denen ich für 15 Nachbarskinder Waffeln backe und die dann auf einem Schlitten (???!!!) serviere.

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Tage, an denen ich ein spontanes public viewing im Wohnzimmer organisiere.

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Oder das Planschbecken aufblase und befülle, um ein Nachbarschaftsschwimmen zu hosten.

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Ich fand Fotos von lustigen Nachmittagen a la “Kannst Du uns die Schwimmtiere aufblasen und Marmeladenbrote machen und dürfen wir dann auf den Schwimmtieren KIKA gucken?”

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“Kannst Du uns mit den Rittervorhängen im Garten ein Schloss bauen?”

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“Kannst Du uns die gefrorene Eisdecke aus der Wassertonne auf die Veranda legen und dürfen wir die dann zerhacken?”

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“Können wir draußen ein großes Osterplakat malen?”

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Ich habe immer “Ja” geantwortet. Dinge aufgepumpt, aufgebaut, weggeräumt und abgewaschen. Herausgeholt und verstaut und möglich gemacht. Keine Bitte war zu groß, kein Weg war zu weit. Ich wollte, dass meine Kinder alles erleben dürfen, was eine glückliche Kindheit ausmacht.

Ich fand viele Fotos von festlich gedeckten Tischen. Von Oktoberfestbesuchen und Ausflügen.

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Die Planung und Ausführung für alle Aktivitäten – vom Einkauf bis zum Zöpfe flechten – hatte immer ich inne. Ich. Und immer wieder ich.

Ich beim Schminken im Kindergarten.

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Ich beim Kinderzimmer streichen.

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Ich beim Leuchtstäbe verteilen und knicken.

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Ich beim Nachschenken, Willkommen heißen, Abdecken, Aufdecken, Abspülen und Teller tragen.

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Wenn ich mir meine letzten zehn Jahre im Schnelldurchlauf anschaue, sehe ich EIN Muster. Ich bin immer beschäftigt. Ich rödel die ganze Zeit. Wenn ich nicht gerade alles für die Familie mache, renne ich zum Sport oder sitze am Macbook.

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Selbst wenn meine Kinder schlafen, fotografiere ich sie noch, weil ich sie sooo süß finde.

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Fotos von mir, wie ich entspanne? Wie ich mal NICHTS tue? Ganz schwierig. Aber eins habe ich gefunden. Es ist – Schockschwerenot – vom 12. August 2012. Ist ja nur knapp 3 1/2 Jahre her.

art of doing nothing

Ich weiß noch, dass ich an dem Tag das Gefühl hatte, ich mache einen Kurzurlaub Zuhause. Ich glaube sogar, dass es so ungewöhnlich war, dass ich auf diesem Blog darüber geschrieben habe.

Irgendwie war das so ein ganz spezieller moment in time. Mittagszeit, in der Siedlung war es total ruhig, die Kinder waren beschäftigt und ich habe mich einfach in das Schlauchboot gelegt, das in der Sonne vom letzten Einsatz unter dem Rasensprenger trocknete. Und gelesen.

Warum ich darüber genau heute schreibe? Weil ich merke, wie gerade etwas mit mir passiert. Ich war immer zuverlässig, auf den Punkt, schnurstracks unterwegs. Und plötzlich werde ich total locker.

Mails, die seit Wochen auf Antwort warten? Für mich plötzlich kein Problem mehr. Dinge, die ich eigentlich auf der To Do Liste hatte, nicht erledigen? Gar nicht so schwierig. Und mal alle Fünfe gerade sein lassen? Hoch die Tassen.

Anstatt alles zu schaffen, schaffe ich plötzlich wieder mehr von dem, was mir gut tut. Ändere mein Tempo. Höre auf meine Bedürfnisse.

Nein, meine neue Businesswebsite muss NICHT übermorgen online gehen. Außer mir wartet nämlich niemand darauf. Und ja, ich muss neue Unterhosen für Ludwig kaufen – aber das muss nicht heute sein. Nächste Woche reicht auch.

Anstatt mich zu hetzen, saß ich heute morgen mit meinem Mann am Esstisch beim gemeinsamen Frühstück. Ich schaute auf die sonnenbeschienene Veranda und sagte: “Stell Dir mal vor, das wäre ein Ferienhaus und wir wären zum allerersten Mal hier. Ich glaube, ich würde alles super finden.”

Als Uwe nickte, dachte ich mir: Das ist es. Das ist “the art of doing nothing”. Nur in der Lücke, nur im Nichtstun entstehen neue Perspektive. Neue Ideen. Nur so kann die Wahrnehmung sich scharf stellen und der Blick aufs eigene Glück wieder klar werden.

Ihr könnt euch gar nicht vorstellen, wie ich mich auf jeden Tag freue, der gerade kommt. Weil er nichts mehr mit meinen üblichen Routinen zu tun hat – und ALLES mit meinem Wohlbefinden.

So wie jetzt, wenn ich anstatt erst einmal die Betten zu machen und das Haus aufzuräumen einfach joggen gehe. Mit meinem Mann, der schon seine neongelben Laufstrümpfe trägt und nebenan auf mich wartet.

Life is good. Be happy.

Eure Svenja

19 Kommentare

  1. Schön geschrieben, trifft mich total! Ich orientiere mich beruflich gerade auch völlig neu und versuche neue Strukturen für mich, für meine Kinder und unser Familienleben zu finden, um dies alles machbar zu gestalten.
    Freu mich, dich zu lesen!

  2. Gefällt mir…SEHR!!! Du hast so recht…Ich versuch das auch immer öfter so umzusetzen…Erst das eigene Vergnügen abhaken und dann bin ich auch entspannt für meine Familie da…!

  3. Genau DAS tue ich gerade… Ich pfeif aufs Staubsaugen, Wäsche waschen, Spülmaschine ausräumen… und lese das Buch zu Ende, dass mich gerade so fesselt. Ich habe heute frei, also wieso sollte ich den Tag mal nicht zu “meinem Tag” machen. In diesem Sinne… Frohes Nicht-Schaffen

  4. Du echt eine coole Mama… :)
    „Stell Dir mal vor, das wäre ein Ferienhaus und wir wären zum allerersten Mal hier. Ich glaube, ich würde alles super finden.“ : wir nennen das “den Urlaubs-Blick” :) Das ist witzig, was das mit einem macht, wenn man ganz gewöhnliche Dinge, mit diesem Blick betrachtet: das eigene Haus, die Straße, in der man seit Jahren wohnt, den Ort, den man schon seit Ewigkeit kennt…

  5. Ach Svenja. Das kommt zum richtigen Zeitpunkt. Meine Kleine sagte neulich von der Rückbank “wenn du so schnell fährst, seh ich die Blumen an der Straße gar nicht richtig”. Der Satz hat sich mir eingebrannt. Mehr Innehalten, Tempo rausnehmen, Zeit vertrödeln, weil man dabei echt sein kann. Mich hat der ganze Besserhöherschnellerpolierter-Hype zu einem – im Nachhinein betrachtet unabsichtlich etwas bösem – Blogeintrag gebracht. Manchmal muss ich meine eigenen Texte lesen, um zu sehen, woran es mir fehlt. Oder halt … deine. ????

    1. Und ich lese dann halt wieder DEINE Texte. So bleiben wir schön beweglich im Kopf ;-) Der Satz Deiner Tochter ist toll. Ich habe ja neulich auch böse über das Internet geschrieben. Muss man auch manchmal, um den eigenen Daueroptimierer im Zaum zu halten.

  6. Ich finde die Bilder und alles dazu einfach toll, ich sehe nicht die Mama im Dauerstress, ich sehe Bilder einer wunderbaren Kindheit, wie wir sie uns alle gewünscht hätten und die wenigsten von uns hatten sie wohl.
    Aber ich lese natürlich auch von meinem eigenen täglichen run im Hamsterrad, ständig beschäftigt, immer noch mal schnell etwas für einen anderen tun statt für mich. Aber es ist dieses Leben dass mich am laufen hält.. Täglich aufs neue und mit voller Energie. Ich mag es so

  7. DANKE für diesen großartigen, wunderbaren Beitrag. Da steckt so viel drin. Und ich finde so schön, dass du diese Veränderung mit uns so offen teilst – gleichzeitig sehe ich die Bilder an und denke: Wie unglaublich schön die Kindheit deiner Kinder ist, dass du das geschafft hast, da bin ich mir ganz sicher. Ich habe eine Mutter, die die da sehr ähnlich ist und ich kann nur sagen: es lohnt sich, denn diesen großen Schatz, den man dann als Kind in sich trägt, der überdauert ALLES.
    Alles Liebe und ganz viel wunderbare Wohlfühlzeit!

  8. Du scheinst doch hier in der Nachbarschaft zu wohnen? Ansonsten kann es nicht sein, das du fast immer genau über das schreibst, was mich gerade bewegt ????. Mir ging es diese Woche genauso, immer rennen, immer zerren alle an einem. Aber jetzt ordne ich mich auch erstmal neu. Der Hausputz kann warten, wenn ich stattdessen eine wunderbare Radtour mit meiner Tochter machen kann und wir dabei einfach mal stehen bleiben und die Pferde, die Esel und die Blumen bewundern.
    In diesem Sinne ein wunderschönes Wochenende (hoffentlich ohne Schnee ????????)
    Nicole

  9. Liebe Svenja,

    ich sehe mir deine Fotos an und bin einfach nur begeistert. Bei Dir wäre ich auch gerne Kind gewesen. Vieles erinnert mich an meine eigene Kindheit – Lager bauen, den Tag im Ahornbaum verbringen in den ich vorher all mein Hab und Gut gebracht und festgezurrt hatte. Pfeil und Bogen basteln, Iglos bauen und nach Fertigstellung drinnen auf einem Gaskocher Wienerwürstl “kochen” und essen. Eben wie in der Wildnis. ;-)
    Gleichzeitig bekomme ich ein schlechtes Gewissen. Habe ich mit meinen Kindern genug gespielt, gebastelt und unternommen? Ich war nie eine “Kindergarten-Baselrunde-Mutti”… Mich hat das immer genervt – ich hatte keine Lust auf die Gespräche mit den anderen Müttern, das war einfach nicht mein Thema und nicht meine Welt.
    Martinsumzug war ein Pflichttermin den ich, unter Schmerzen (nervlich), Jahr für Jahr überstanden habe. Ich war einfach irgendwie eine Un-Mutter. Sicher – ich habe immer den Beitrag zum Buffet mitgebracht und den Verkaufsdienst am Kuchenstand – meine eingeteilte Stunde – übernommen. Aber so mit Leidenschaft wie Du? Nein.

    Ich hatte die Kinder gerne mit dabei im Stall bei den Pferden, auch direkt nach der Geburt im Tragesack, dick eingemummelt in meiner Jacke. Das war toll. Ich habe auf gesundes Essen und auf ihre Gesundheit geachtet und Halloweenpartys sowie Geburtstagsfeste organisiert. Aber immer Full House mit vielen Kindern, und danach 1 cm hoch Spielplatzsand auf der Couch? Mir wäre wohl der Hut hochgegangen. ;-)

    Du bist so eine Top-Mama, Deine Kinder werden sich ihr Leben lang an ihre Kindheit erinnern und davon profitieren. :-) Chapeau! :-)

    Liebe Grüße, Nici

    1. Liebe Nici, weißt Du was ich glaube? Dass jede Mama eine eigene Art hat, ihren Kindern zu zeigen, dass sie sie liebt. Und ihnen auch zu zeigen: DAS überfordert mich jetzt aber und geht einen Schritt zu weit. Klar habe ich all diese Dinge gemacht, aber manchmal war ich auch übermüdet, schlecht gelaunt und grantelig. Es ist nicht so, dass ich permanent im Kindergarten angepackt habe, aber ich war für Deko zuständig – da habe ich immer Vollgas gegeben. Mein Glück war diese Wahnsinnssiedlung, in der ich gewohnt habe. Mit tollen Müttern zusammen habe ich da die Kindheit meiner Kinder positiv gestalten können. Zusammen hat man einfach mehr Kraft. Jeder konnte jeden jederzeit ansprechen. Das verbindet unglaublich. Und ich bastel und koche halt für mein Leben gern, wenn ich damit jemanden erfreuen kann. Die Kindheit meiner Kinder war da eine willkommene Zeit, um mich voll auszuleben ;-) Aber der stärkste Antrieb ist sicher, dass meine heile Kindheit eben mit 8 vorbei war. Das sitzt tief, aber als langjährige Leserin weißt Du das ja.

  10. Vielen Dank für diesen Artikel . Ein Abschnitt hat sich in meinem Kopf besonders festgesetzt:
    “Ich habe immer „Ja“ geantwortet. Dinge aufgepumpt, aufgebaut, weggeräumt und abgewaschen. Herausgeholt und verstaut und möglich gemacht. Keine Bitte war zu groß, kein Weg war zu weit. Ich wollte, dass meine Kinder alles erleben dürfen, was eine glückliche Kindheit ausmacht.”
    Leider hören meine Kinder oft “nein” von mir, weil ich gerade keine Zeit oder Energie oder auch Lust habe, ausgefallene Wünsche oder Spielideen umzusetzen.
    Ich möchte gerne viel öfter “Ja” sagen. Immer, wie du schreibst, werde ich das sicher nicht hinbekommen, aber ich nehme dich als Vorbild und werde in Zukunft immer noch mal innehalten, bevor ich ein “Nein” von mir gebe.

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