Die Elterliche Aufsichtspflicht

Als wir neulich darüber diskutiert haben, wie viel Aufsicht und wie viel Freiheit Kinder benötigen, um sich sicher in ihrem Umfeld bewegen zu können, ging es hoch her. Schließlich möchten wir sie nicht einsperren und ermöglichen, dass sie Schritt für Schritt selbständiger werden. Gerade durch eure facebook-Kommentare wurde mir klar: wie lang die Leine ist, die wir unseren Kindern lassen, hat mal wieder viel damit zu tun, wie wir selbst aufgewachsen sind.

Ein paar Sachen möchte ich nach meinen Gesprächen mit euch zu diesem wichtigen Thema noch ergänzen.

1.) Natürlich können Kinder nicht nur von Fremden , sondern auch von ihnen vertrauten Personen geschädigt, belästigt oder entführt werden. Tatsächlich finden diese Fälle sogar am häufigsten im Freundes-, Bekannten- oder Familienkreis statt. Ihr habt mich ausdrücklich gebeten, das hier noch einmal zu schreiben, weil im Video eben “nur” ein Fremder zu sehen war.

2.) Ein Dauerbrenner war auch das Thema: “Wo ist mein Kind sicherer – auf dem Dorf oder in der Stadt?” Ja, auf dem Dorf fühlen wir uns behüteter, aber meine Leserin Sandra merkte Folgendes richtig an:

“Gerade in Dörfern, wo Durchfahrtsverkehr herrscht, wo Kinder an der Hauptstraße entlang zur Schule gehen, mit dem Fahrrad in den anschließenden Ort zum Training fahren, ist es “ideal” zum kidnappen. Die Kinder können aus dem Auto heraus angesprochen werden (oder auch hineingezogen, wie im Falle Kampusch und einigen anderen). Dorf oder Stadt – hinsichtlich der Sicherheit macht das keinen Unterschied. Nur dass in der Stadt mit Sicherheit mehr Menschen drumherum sind und sich die Kinder durch Schreien bemerkbar machen können. Wenn keiner da ist, der das hört, ist das umsonst.”

3.) Dann habt ihr die Elterliche Aufschtspflicht – vor allem in euren Mails an mich – hoch und runter diskutiert. Die häufigsten Fargen: Ab wann kann ich meine Kinder alleine oder außer Sichtweite lassen? Welcher Radius ist ab welchem Alter OK? Meine Leserin Verena hat auf der Seite der Stadt München ein PDF zum Thema “Elterliche Aufsichtspflicht” gefunden, das sowohl die rechtlichen Rahmenbedingungen klärt, als auch durch kleine Hinweise das Bauchgefühl bei bestimmten Entscheidungen schärft.

Das PDF beantwortet solche Fragen wie: Ab wann darf ich mein Kind allein im Garten oder Hof spielen lassen? Ab welchem Alter kann ich mein Kind allein zu Hause lassen? Ab wann darf mein Kind allein mit dem Rad auf der Straße fahren?

Doch es geht nicht nur um unsere ganz Kleinen, sondern auch um die Sicherheit der etwas größeren Kinder: Ab welchem Alter darf mein Kind allein ins Schwimmbad? Ab welchem Alter darf ich mein Kind im Internet surfen lassen? Ab wann darf ich mein Kind allein zum Einkaufen schicken? Was ist, wenn mein Kind einen Handyvertrag abschließt? Was passiert, wenn mein Kind im Internet etwas bestellt hat? Bin ich verantwortlich, wenn mein Kind illegal Musiktitel oder Filme aus dem Internet herunter lädt?

Und noch etwas Spannendes wird mal verständlich und wohlüberlegt aufgeschlüsselt – das Babysitter- und Schulweg- und Fahrdienstproblem. Für uns Mütter besonders wichtig, nicht nur fürs gute Gefühl, sondern vor allem, um uns auch rechtlich abzusichern: Kann ich älteren Geschwistern die Betreuung der ju?ngeren u?bertragen? Können Nachbarskinder mein Kind beaufsichtigen? Wer ist verantwortlich, wenn ich fremde Kinder zur Schule begleite? Welche Verantwortung trifft mich, wenn ich andere Kinder mit nach Hause nehme? Was ist, wenn ich andere Kinder im Auto transportiere? Was ist, wenn ich andere Kinder zu Unternehmungen oder in den Urlaub mitnehme?

Verena, das ist wirklich eine fantastische Quelle, die Du da gefunden hast. Vielen vielen Dank fürs Rüberschicken und uns teilhaben lassen. Ich denke, das wird viele Fragen für viele Mütter noch einmal eindeutiger klären. Ich habe jedenfalls einiges dazugelernt und war ein paar Mal wirklich überrascht, dass es von offizieller Stelle so sinnvolle und praxisnahe Anregungen gibt. Daumen hoch! Hier könnt ihr das PDF der Stadt München zum Thema Elterliche Aufsichtspflicht herunterladen.

Und weil viele von euch nun auch noch einmal den Artikel zu Ludwigs Verschwinden gelesen haben, hat Mareike mich auf diese wunderbaren Buttons aufmerksam gemacht (Rixta, Du hattest mir auch schon Mal einen Link geschickt aber der war in die Versenkung geraten, weil ich keinen Blogpost-Aufhänger hatte): auf dawanda kann man personalisierte Buttons mit Telefonnummern und Handlungsanweisungen bestellen. So können Menschen, die einem verloren gegangenen Kind begegnen, helfen, es möglichst schnell und gesund wieder nach Hause zu bringen. Vielen Dank auch noch einmal für diesen Hinweis.

Und nun startet in ein sicheres Wochenende – bei dem Regen werden wir uns wohl alle mit Bunstiften, Hörbüchern und Legosteinen bewaffnen müssen.

Alles Liebe

Eure Svenja

P.S.: Einige Leserinnen haben mir geschrieben, dass sie den Tipp mit den Buttons nicht gut finden: “So kann ein mutmaßlicher Entführer ganz einfach den Namen des Kindes erfahren und wenn er das Kind mit seinem Namen ansprechen kann, hat er doch schon mal nen ganz schönen Vertrauensvorschuss, “Hallo Charlotte, deine Mama schickt mich…..”.” OK, das habe ich nicht bedacht – bzw. konnte ich mir bis eben nicht vorstellen, dass ein “Fremder” so vorgehen könnte. Da aber viele von euch so gedacht und mich gebeten haben, diese Überlegung zu ergänzen, möchte ich das hiermit gerne tun. Wie ihr oben sehen könnt gibt es aber auch Versionen OHNE Namen – es ist also für jeden was dabei. Danke für euer Feedback, ich lerne hier ja nie aus.

8 Kommentare

  1. Hej, bevor ich überhaupt noch auf einen Link klicke, muss sofort etwas loswerden: Buttons mit dem Namen des Kindes GEHEN GAR NICHT! weil Fremde dann das Kind noch leichter ansprechen können. Blick auf den Button und dann sagen “Hallo, Linnea, Deine Mama hat mich geschickt. Ich soll Dich kurz mitnehmen.” Also bei direkter Ansprache mit dem eigenen Namen ist jedes Kind sofort zutraulich. Probiert es aus. Wir machen das niemals. So, jetzt schau ich mir die Links an. Danke schonmal dafür. Anja

    1. Das haben jetzt so viele geschrieben, dass ich diese Anregung gerne im Blogpost als PS ergänzt habe. Danke für Deine Meinung, Anja. Nur wenn wir alle unsere besten Gedanken zusammenpacken, wird ein Schuh draus – und unsere Kinder sind wieder ein Stück sicherer.

  2. Lebe Svenja,

    kurz noch eine Ergänzung, die ich sehr wichtig finde. Auf den Buttons keinesfalls den Namen des Kindes drucken. Klar, ein Argument wäre, dass ein netter Helfer dann das Kind direkt mit Namen ansprechen und beruhigen kann. ABER: JEDER kann das Kind dann mit Namen ansprechen. Und wenn das Kind mit seinem eigenen Namen angesprochen wird, dann kann jeder noch schneller das Vertrauen des Kindes erlangen… Im Zweifel ganz ganz schlecht.
    Also besser nur die Telefonnummer der Mutter / des Vaters / der Oma / … draudrucken und wer mag noch eine Handlungsanweisung. Aber niemals den Namen des Kindes. Wer helfen möchte, dem reicht auch die Nummer der Eltern.

    Vielleicht magst du das noch ergänzen?

    Ein schönes restliches Wochenende!
    Bettina

  3. Huhu Svenja,

    Den Tipp mit dem Button finde ich ganz, ganz schlecht.
    So kann ein mutmaßlicher Entführer ganz einfach den Namen des Kindes erfahren und wenn er des Kind mit seinem Namen ansprechen kann, hat er doch schon mal nen ganz schönen Vertrauensvorschuss, “Hallo Charlotte, deine Mama schickt mich…..”
    Ich wundere mich auch immer, wie leichtsinnig die Menschen die Namen ihrer Kinder auf die Heckscheiben ihrer Autos schreiben, würde ich niemals machen.

    1. Also, das mit dem Namen haben jetzt SO viele von euch geschrieben. Ich weiß nicht wirklich, ob die Situation realistisch ist – dass der “Fremde” wartet bis ein Kind herumirrt oder abseits steht um dann ERST den Button zu lesen und es DANN anzusprechen. Aber: Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste und da das so viele geschrieben haben, werde ich es im Post ergänzen. Danke für euer Feedback.

  4. Hi Svenja,
    war vor ein paar Wochen bei einem Vortrag der Münchener Polizei (Abtlg. Prävention & Opferschutz) mit dem Titel “Wie schütze ich mein Kind” – Kann ich nur weiter empfehlen, wird sicher auch in anderen Städten angeboten!
    Da kommen die oben erwähnten Themen vor, aber auch viele weitere: Name des Kindes auf Shirt o.ä. (soll man wirklich nicht machen); Böser Entführer (ist laut Statistik zu vernachlässigen, die meisten kommen aus dem Bekanntenkreis), Würde mir mein Kind alles erzählen? (wichtig!!) ; Wo beginnt ein sexueller Übergriff; Was fällt unter Kindesmisshandlung; Was soll man ab wann melden, etc.

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